Personenzentrierung in NRW – Anspruch oder gelebte Wirklichkeit?

Personenzentrierung ist keine Verhandlungssache – sie ist der Maßstab für Würde und Teilhabe.

Ein Beitrag von Christian Pille

Im Sommer 2014 formulierten die Fachverbände für Menschen mit Behinderungen ihre Vorstellungen zur Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung der Leistungen nach dem Bundesteilhabegesetz (vgl. die Fachverbände für Menschen mit Behinderungen; 14.07.2014). Das Ziel: Weg vom „Einheitsbrei“, hin zur echten Personenzentrierung. Vor allem unter Abfrage und Berücksichtigung der Wünsche der Menschen mit Teilhabebedarf. 

Gesagt, gesetzlich beschlossen – aber wie sieht es heute aus?
Schauen wir nach Nordrhein-Westfalen, ins bevölkerungsreichste Bundesland. Für Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen, die in besonderen Wohnformen leben, sollte das Bundesteilhabegesetz (BTHG) eigentlich ein echter Fortschritt sein. Die Überführung der sozialgesetzlichen Bestimmungen der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII ins SGB IX und die damit verbundene Trennung der Leistungen – ein Meilenstein. Nicht länger „Gruppenlogik“, sondern persönliche Lebenssituation im Fokus. Nicht mehr nur Platzhalter in Hilfebedarfsgruppen, sondern eigene Rechte, echte Wahlmöglichkeiten. Mit dem Landesrahmenvertrag NRW (§ 131 SGB IX) kam die große Idee: Persönliche Assistenzbedarfe werden gemeinsam ermittelt, auf Augenhöhe. Mit unterstützter Kommunikation, leichter Sprache, alltagsnah. Teilhabe soll nicht verwaltet, sondern gelebt werden.

Doch die Wirklichkeit? Ist leider oft eine andere.

Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Landesrahmenvertrags (2019) erleben viele Träger einen Rückschritt: Die viel gepriesene „personenzentrierte Assistenz“ wird wieder beschnitten. Statt individueller Teilhabeleistungen geht es zurück zu pauschalen Leistungstypen – zurück zur Institutionslogik.

Jüngstes Beispiel: Die „Gemeinsame Kommission“ aus Leistungsträgern und Leistungsanbietern veröffentlichte vor wenigen Wochen eine „Gemeinsame Erklärung zur weiteren Umsetzung der Umstellung II der Sozialen Teilhabe im Rahmen des Landesrahmenvertrags NRW nach § 131 SGB IX“ – und es war kein guter Tag für viele Menschen in den Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Das „verstörende“ Ergebnis: Eine vermeintliche Rücknahme individueller Assistenzleistungen zugunsten einer Überarbeitung bestehender Leistungstypen und Hilfebedarfsgruppen. Offiziell wird Personenzentrierung weiter postuliert. Aber individuelle Leistungsgewährung in unterstützender oder qualifizierter Assistenz wird es vorerst nicht geben. Begründet wird dies mit veränderten Rahmenbedingungen, die eine Anpassung unumgänglich machen.

Was bleibt, wenn personenzentrierte Assistenz nur wie bisher existiert?

  • Weniger Verbindlichkeit: Persönliche Ziele verlieren an Gewicht.
  • Weniger Klarheit: Menschen wissen nicht mehr genau, worauf sie Anspruch haben.
  • Weniger Teilhabe: Entscheidungen werden wieder über Köpfe hinweg getroffen.


Dabei wäre jetzt die Zeit, vorwärts zu gehen – nicht zurück. Personenzentrierung ist kein Luxus, sondern Menschenrecht. Sie darf nicht zur Verhandlungsmasse werden.

Unsere Haltung bei ondela ist klar:

Personenzentrierung gehört nicht nur aufs Papier, sondern in den Alltag. In Gespräche, Planungen und vor allem ins gelebte Miteinander.

Wir bei ondela begleiten die Träger, die Personenzentrierung nicht als „nice to have“ betrachten, sondern als festen Wert. Für alle, die Teilhabe nicht verhandeln, sondern leben wollen. Für alle, die Haltung zeigen – auch wenn es unbequem wird.